Ich äußere mich ja selten ausführlicher zu politischen Themen. Nicht, weil ich unpolitisch wäre, im Gegenteil; mehr weil ich keine Lust habe, mich auf ideologisierte Debatten einzulassen, bei denen am Ende Position gegen Position steht und nicht etwa Argument gegen Argument.
Ich bin seit ich wählen darf, Wechselwähler. Ich wähle die Parteien/-kombinationen mit den schlüssigsten Konzepten für die Zukunft unserer Gesellschaft und den Köpfen, die ich für fähig halte, die Konzepte umzusetzen. Das waren über die Jahre je nach Anlass CDU, FDP, SPD und Grüne. Mir kann man also keine einseitige Parteipräferenz vorwerfen, das nur vorweg.
Wie ekelhaft demagogisch muss man veranlagt sein, um so einen Satz in einen Partei (Update: parteinahen) Twitter-Account zu schreiben? Wer eine nicht gerade unumstrittene politische Idee nicht gut findet, ist per se gegen diejenigen, die diese Idee betrifft? Ich frage mich, ob der/diejenige Twitterer, der/die sich diesen Satz hat entgleiten lassen, noch alle Latten am Zaun hat. Hier schwingt sich eine Partei ein Parteigänger zum Schutzheiligen aller Frauen, Kinder und Familien auf (das tat sie schon immer gern, ich weiß) und diskreditiert mit wenigen Zeichen alle, die eine bestimmte Idee von Familienförderung nicht gutheißen.
Für mich kommt dieser Satz in seiner Unverschämtheit gleich nach George Bush’s „Wer nicht für uns ist, ist gegen uns“ im Kontext „weapons of mass destruction“ und UN-Mandat für den Irak-Krieg. Vergleiche mit ähnlichen Aussagen aus Deutschlands brauner Vergangenheit verbieten sich allerdings, obwohl ich nicht übel Lust dazu hätte.
Mit dem Betreuungsgeld widerspricht sich die CDU/CSU selbst
Warum fühle ich mich so angegriffen von diesem Tweet? Ganz einfach, weil ich persönlich das Betreuungsgeld (mir gefällt nachwievor der Begriff „Herdprämie“ viel besser, denn das ist es de facto) für eine schlechte Idee halte. Und weil seine Verabschiedung im Bundeskabinett am vergangenen Wochenende die ganze Misere der Familienpolitik in der schwarz-schwarz-gelben Koalition aufzeigt.
Noch vor wenigen Jahren, Ursula von der Leyen war Familienministerin, schwang sich die CDU/CSU in der großen Koalition zu Ansätzen moderner Familienpolitik auf und beschloss den Rechtsanspruch auf Betreuung für Kinder unter 3 Jahren ab 2013. Abgesehen davon, dass damit eine Quote von meines Wissens 35% der Kinder gemeint ist (was an sich schon ein Witz ist), klappt es mit dem Ausbau der Kitas bei weitem nicht so, wie es nötig wäre.
Ab 2013 werden deshalb die deutschen Gerichte mit Klagen von Eltern überzogen werden, die diesen Rechtsanspruch durchsetzen wollen. Der Bund ist dabei recht fein raus, weil die Kitas Ländersache sind und die Organisation an den Kommunen hängenbleibt. Aber da es ja eine Idee der CDU-Ministerin damals war, und die CSU ihre katholisch-konservative Stammklientel pampern muss, wird jetzt eine Alimentierung beschlossen, die vom eigentlichen Problem ablenken soll.
Das Kalkül: Wenn wir das Betreuungsgeld haben, können sich die Eltern ja nicht mehr über fehlende Kitaplätze beschweren. So kann man dem Volk mit Geld das Maul stopfen.
Statt also den Ausbau der Kinderbetreuung wie gesetzlich gefordert zu beschleunigen, wird Geld ausgegeben für Betreuung zu Hause. Das verschafft Eltern meines Erachtens nicht den Freiraum den sie bräuchten, um beide im Idealfall (Ergänzung: das ist Ansichtssache, natürlich!) voll berufstätig zu sein. Dabei müsste genau das, die Berufstätigkeit beider Elternteile eigentlich sogar Ziel der christdemokratischen Politik sein. Denn sie trägt ja das Banner des Wirtschaftswachstums vor sich her.
Außerdem kommt auch bei er CDU/CSU so langsam die Erkenntnis an, dass einer immer älter werdenden Gesellschaft mit immer weniger Kindern irgendwann der sozial/fiskalische Kollaps droht. Dann ist es vorbei mit Wachstum und Wohlstand für alle, dann können unsere Kinder zusehen, wie sie die Alten (das sind dann wir, die wir heute zwischen 30 und 50 sind) möglichst preiswert loswerden und selbst ihre Schäfchen ins Trockene bringen. Altersgerechtigkeit und Solidarität sehen anders aus.
Kinderbetreuung ist Zukunftssicherung
Der regierenden Koalition müsste also daran gelegen sein, die Kinderbetreuung in Deutschland im Eiltempo auf ein funktionierendes Niveau zu bringen und die Vergabe der Plätze so zu organisieren, dass Eltern nicht wie heute 20 Bewerbungen (Bettelbriefe sind das!) für Kitas schreiben müssen und mehr Zeit und Energie damit verplempern ihre Kinder in eine anstängige und kompetente Betreuung zu bekommen, als zum Beispiel nach der Babypause wieder einen Job aufzunehmen.
Wieviel Produktivität wird in Deutschland durch unnötige Betreuungsbürokratie und fehlende Plätze vernichtet? Von der persönlichen Verzweiflung und kräftezehrenden Rumrennerei der Eltern mal ganz abgesehen. Das kann nicht im interesse dieser Regierung und nicht im Interesse irgendeiner anderen Regierungskoalition sein.
Politiker, macht endlich eure Hausaufgaben!
Deshalb appelliere ich an die Familienpolitiker aller Parteien, und der CDU/CSU zuallererst, mit der billigen und ekelerregenden Demagogie wie in obigem Tweet aufzuhören und endlich für die Eltern und Kinder zu handeln. Alles andere ist eine Beleidigung der Familien, die ihren Teil zum Fortschritt und Wohlstand unseres Landes beitragen wollen.
Wenn für jeden, der es möchte, ein Betreuungsplatz ab sagen wir 6 Monaten zur Verfügung steht – in der Nähe, bezahlbar und mit kompetenten, liebevollen Erzieherinnen und Erziehern besetzt – ist es m.E. vollkommen in Ordnung eine Alternative für die Erziehung zu Hause anzubieten. Noch hat die Politik aber nicht ihre selbst auferlegten Hausaufgaben gemacht und das Betreuungsgeld ist eine billige Masche zum Kaschieren dieses Versäumnisses.
(Ergänzung: Ich bin Vater einer 10 Wochen alten Tochter. Meine Frau hat mich gestern gebeten das Frankfurter Kita-Bewerbungsformular 15 (!!) mal auszudrucken. Uns steht die Kitaplatzsuche also noch bevor, und mir schwant Übles. Ich habe also ein ganz persönliches Interesse an diesem Thema.)