Eiskalte Eier für die Karriere? Ein fatales Signal.
Apple und Facebook bieten Mitarbeiterinnen an, ihre Eizellen einzufrieren, damit sie das Kinderkriegen, so sie es denn planen, auf später verschieben können. In einem Land, dessen Krankenhäuser schon bei Betreten der Notaufnahme eine Kreditkarte sehen wollen, wird das als „Benefit“ für die Mitarbeiterinnen verkauft. Schließlich will man die besten und talentiertesten Leute für das Unternehmen gewinnen. Das kann man, wie Elisabeth Oberndorfer in ihrem Blog, gut finden.
Oder ein fatales Signal an Frauen und Männer, die beides wollen, eine berufliche Karriere machen und eine Familie gründen.
Das Signal lautet: „Macht erstmal bei uns Karriere (und kniet euch so richtig rein). Ein Kind wäre dabei doch nur im Weg. Kinder kriegen könnt ihr später noch, wenn ihr denn dann noch unbedingt wollt.“
Nicht ohne Risiko
Vielleicht, sollte man noch hinzufügen. Denn man sollte bei allem Zutrauen in den medizinischen Fortschritt nicht vergessen, dass niemand garantieren kann, dass eingefrorene Eizellen wieder heil aufgetaut werden, die folgende In-Vitro-Fertilisation (vulgo Befruchtung im Reagenzglas) klappt und die befruchtete Eizelle erfolgreich eingepflanzt wird und dann auch zu einem gesunden Kind heranreift. Und wie jede Behandlung, hat auch „Cryopreservation von Oozyten“, Risiken.
Nun mag man argumentieren, das sei doch alles schon zigtausendfach erprobt und würde heute schon vielen Paaren den Kinderwunsch erfüllen. Schon klar.
Viele offene Fragen
Was mich in diesem Kontext aber erschreckt ist, dass das Angebot bis jetzt nur als tolles Signal an talentierte Frauen kommentiert wurde und folgende Fragen überhaupt nicht diskutiert werden:
- Ist es ethisch vertretbar, dass ein Unternehmen mit einem offenbar gut gemeinten Angebot Druck auf seine Mitarbeiterinnen ausübt, die Familienplanung der Karriere unterzuordnen?
- Ist es ethisch vertretbar, dass ein Verfahren wie IVF, das als Behandlung einer bestimmten Diagnose (unerfüllter Kinderwunsch aus medizinischen Gründen) entwickelt wurde und für viele ein Segen ist, durch Finanzzuschüsse zur Lifestyle-Behandlung wird? „Social Freezing“ auf einer Ebene mit Botox-Spritzen und auf Wunschtermin geplanten Kaiserschnitt-Entbindungen?
- Welches Signal geht von einer solchen Maßnahme an die Gesellschaft aus? Dass Kinder der Karriere im Weg stehen? Dass junge Eltern in Unternehmen nicht erwünscht sind, weil sie vermeintlich nicht für die Bilderbuchkarriere geeignet sind?
- Wie verändert sich eine ohnehin schon vergreisende Gesellschaft, wenn Frauen suggeriert wird, es sei schon vollkommen OK, erstmal Karriere ohne Kind zu verfolgen und der Rest werde sich schon finden?
- Was macht es mit der Psyche, wenn man glaubt, der Natur der Dinge mit medizinisch-technischen Verfahren jederzeit ein Schnippchen zu schlagen?
Aus meiner persönlichen Warte als 40jähriger Vater zweier kleiner Kinder und Unternehmer mit 75% Frauenanteil in unserer Agentur gruselt es mich bei der Vorstellung, in Zukunft bekämen nur die Unternehmen die Besten, die Kinder und Familie aus ihrem Dunstkreis verdrängen. Zudem glaube ich, hierzulande machen wir uns noch keine Vorstellung davon, wie eine vergreiste Gesellschaft ganz praktisch und vom Lebensgefühl her aussehen wird.
Kapitalistischer Trojaner auf Kosten der Frauen
Ich halte das Angebot von Apple und Facebook für ein ganz zynisches Trojanisches Pferd. Es lockt karrierewillige Frauen (und ihre Partner!) auf eine falsche Fährte, beutet sie nach allen Regeln des Kapitalismus aus und dann spuckt sie dann aus dem Luxusbenefit-System wieder aus, wenn sie sich kurz vor Toresschluss doch noch für Kinder entscheiden.
Auch lesenswert:
Süddeutsche Zeitung: „Social Egg Freezing zementiert gesellschaftliche Ordnung“
ZEIT Online: „Gefroren, um zu bleiben“ (Glosse)
T3N: „Apple, Facebook – Geht’s noch?“